Lausitz, den 22. September 2016:

Offener Brief der Lausitzrunde zum Vorschlag eines Kohlekonsens von Verdi-Chef Bsirske

Sehr geehrter Herr Bsirske,
über die Öffentlichkeit haben Sie uns wissen lassen, wie Sie sich das Ende der Kohleverstromung in Deutschland wünschen. Gleichermaßen über die Öffentlichkeit wollen wir als Lausitzrunde – das Bündnis gewählter Kommunalvertreter, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landräte und Ortsvorsteher aus der gleichermaßen ländlichen wie industriellen Lausitz von Görlitz über Senftenberg bis Cottbus – Ihnen mit diesem offenen Brief antworten.

Es darf sich doch keiner mehr wundern, wenn Begriffe wie „Konsens“ oder „Sozialverträglichkeit“ in der öffentlichen Debatte zunehmend nur noch wie leere Formeln eines abgehobenen Polit-Betriebes wahrgenommen werden. Ihr Papier zum Kohleausstieg verstärkt sicher diesen Trend.

Was Sie als Gutachten zur sozialverträglichen Ausgestaltung eines Kohlekonsenses vorgelegt haben, ist aus unserer Sicht ein weiterer Tiefpunkt vermeintlich wissenschaftlicher Begleitung anspruchsvoller gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. Und es ist ein Schlag ins Gesicht einer Region wie der unseren.

Den komplexen Anforderungen an die zuverlässige Versorgung eines Industrielandes mit bezahlbarem Strom werden Sie nicht gerecht. Ebenso wenig den vielschichtigen Herausforderungen regionaler Strukturentwicklung. Stattdessen betrachten Sie einen kleinen Ausschnitt, modellieren irgendwelche Rahmenbedingungen und rechnen. Zum Schluss heißt es dann, der sozialverträgliche Kohleausstieg sei möglich. „Es entstehen Sozialplankosten von rund 160 bis 400 Milliarden Euro.“ (S. 40)
Was soll uns so ein Gutachten sagen,
das einzig die Arbeitsplätze in den Kraftwerken, nicht aber die im deutlich beschäftigungsintensiveren Bergbau betrachtet? das bei den Erneuerbaren so tut, als sei die Welt 2014 stehen geblieben, obwohl es seitdem nicht nur vermehrt politische Diskussionen sondern auch regulatorische Eingriffe gab? das die unvermeidlichen Konsequenzen für die Industrie und den damit verbundenen indirekten Beschäftigungsabbau unerwähnt lässt?

Für uns bleibt damit an Aussagewert und Substanz Ihres Gutachtens nichts übrig. Umso schlimmer ist es, dass Sie in Ihrem Fazit auch noch behaupten, dass die Kosten Ihres Ausstiegsplanes gerade einmal einer Umlage von rund 70 Cent je Megawattstunde entsprächen (S. 41). Das sozialverträgliche Abwickeln einer ungeliebten Branche aus der Portokasse: Was für eine schöne Suggestion.

Das erklärt dann wohl auch folgenden Satz in Ihrem Gutachten: „Das Aufkommen zur Finanzierung der Sozialplankosten stand nicht im Fokus der Studie.“ (S. 34) Als Vertreter der kommunalen Familie sind wir über eine derartige Verantwortungslosigkeit entsetzt.

Deutschland ist ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Land, das auch über einen breit aufgestellten und innovativen Dienstleistungssektor verfügt. Doch die Grundlage für Dienstleistungen ist die industrielle Wertschöpfung. Und deren Voraussetzung wiederum ist bezahlbare und zuverlässig verfügbare Energie.

Ein Land wie Deutschland wird seinen Wohlstand nicht dadurch halten können, dass wir uns alle gegenseitig bestellte Gutachten schreiben.

Wir bieten Ihnen an, hinsichtlich der vielschichtigen Thematik persönlich ins Gespräch zu kommen. Schließlich tragen wir allesamt Verantwortung für unser Land.


Mit einem freundlichen
Glück auf

Christine Herntier
Sprecherin Brandenburger Kommunen
Bürgermeisterin Stadt Spremberg

Torsten Pötzsch
Sprecher Sächsische Kommunen
Oberbürgermeister Stadt Weißwasser/O.L.